Vor
der Motorisierung:
Die Landwirtschaft im 19. Jahrhundert
Agrarpolitische Reformen
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, vor der Industrialisierung, war Westfalen noch überwiegend ein Agrarstaat. Der größte Teil der Bevölkerung arbeitete in der Landwirtschaft, die damals noch nicht vorrangig für den Markt, sondern für den eigenen Bedarf produzierte. Auch bei der städtischen Bevölkerung herrschte noch ein hoher Grad von Selbstversorgung. Die landwirtschaftliche Produktion war so gering, daß vier landwirtschaftliche Erwerbstätige nur einen weiteren Menschen ernähren konnten. Die geringe Überschußproduktion konnte aufgrund fehlender Verkehrsbedingungen und anderer Einschränkungen nur auf den Märkten der näheren Umgebung verkauft werden.
Der bäuerliche Betrieb war in Parzellen aufgeteilt, die häufig in Gemengenlage mit dem nachbarlichen Betrieb lagen. Eine weitere Zersplitterung der bewirtschafteten Fläche erfolgte durch die gemeinsam genutzten Böden, die Marken und Triftgerechtigkeiten, die meist schlecht bewirtschaftet und wenig produktiv waren. Die Marken machten um 1800 in Westfalen noch 50-60% der gesamten landwirtschaftlich genutzten Bodenfläche aus, 1820 noch 45%. Zudem lag wegen der vorherrschenden Dreifelderwirtschaft ein Teil der Nutzfläche ständig brach.
Weitere Hindernisse für eine rationelle Betriebsführung ergaben sich aus der Agrarverfassung. Diese war noch weitgehend von der Grundherrschaft geprägt. Die Bauern besaßen zwar ein erbliches Nutzungsrecht an dem von ihnen bewirtschafteten Hof, waren jedoch in ihrer Wirtschaftsführung eingeschränkt durch das Obereigentum der Grund- und Leibherren. Sie mußten Grundzinsen, sowie bei Sterbe- und Erbfällen unregelmäßige Abgaben zahlen, außerdem waren sie zu Hand- und Spanndiensten verpflichtet. Bei der Aufnahme von Krediten waren die Bauern vom Grundherrn abhängig.
Eine Ertragssteigerung durch verbesserte Wirtschaftsführung wäre nicht in erster Linie ihnen selbst, sondern dem Grundherrn in Form erhöhter Abgaben zugefallen. Entsprechend gering war der Anreiz für die Bauern, neue Möglichkeiten zur Ertragssteigerung auszuprobieren.
Mit der unter diesen Bedingungen erzielten Produktion konnte die seit Beginn des 19. Jahrhunderts wachsende Bevölkerung nicht mehr ernährt werden. Die erforderliche Produktionssteigerung setzte eine Änderung der Agrarverfassung voraus. Sie wurde durch die zwischen 1807 und 1812 erlassenen Stein-Hardenberg'schen Reformedikte zur Bauernbefreiung und Gewerbefreiheit in Gang gesetzt.
Die Agrarreformen beseitigten zunächst die personengebundenen Dienste und Beschränkungen der Bauern: Schollengebundenheit, Zwangsgesindedienst, herrschaftliche Heiratsgenehmigung und Erbfolgeregelung, dann auch die an den Hof gebundenen Hand- und Spanndienste und Zinszahlungen. Gegen Entschädigung der Gutsherren durch Abtretung eines Landstücks und später durch Geldzahlungen konnten die Bauern freies Eigentum am Boden erwerben. Die Phase des Eigentumerwerbs zog sich in Westfalen aufgrund der Entschädigungsleistungen bis etwa 1860 hin. Nicht allen Bauern gelang es, die Ablösungssumme für ihren Betrieb aufzubringen. Besonders Kleinbauern wurden durch Verschuldung gezwungen, ihr Land aufzugeben. Bis etwa 1860 war ein großer Teil der nicht mehr existenzfähigen Kleinbauern zur Auswanderung gezwungen, danach schuf der in Deutschland einsetzende Industrialisierungsprozeß die Voraussetzungen für die Aufnahme der freiwerdenden landwirtschaftlichen Arbeitskräfte.
Der Reformprozeß führte in Westfalen zu einem Rückgang der bäuerlichen Betriebszahlen bei gleichzeitigem Anwachsen der durchschnittlichen Nutzfläche. Die Betriebsgröße wurde auch durch die Aufteilung der früher gemeinsam genutzten Flächen nach oben beeinflußt. Trotzdem blieb die klein- und mittelbäuerliche Struktur der westfälischen Landwirtschaft erhalten. Im Tecklenburger Land herrschten mittelbäuerliche Betriebe mit Heuerlingsstellen vor.
Die Mechanisierung der Landwirtschaft
Die wirtschaftliche Eigenständigkeit der Bauern ermöglichte langfristig den Einsatz moderner, rationeller Anbaumethoden und landwirtschaftlicher Geräte, die im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich verbreitet wurden und zur Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge führten. Die überlieferten Methoden der Landwirtschaft wurden durch die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse über Fruchtfolgen, künstliche Düngung und Maschineneinsatz verbessert.
Flurbereinigungs- und Kultivierungsmaßnahmen, sowie der Anbau neuer Futterpflanzen auf den bisherigen Brachflächen, führten zwischen 1800 und 1860 zu einem Rückgang der Brache von 40% auf 5%. Neben der Ausweitung der bewirtschafteten Flächen trugen zunächst hauptsächlich die vermehrt eingesetzten Düngemittel und Züchtungserfolge zur Ertragssteigerung bei. Außerdem wurde die traditionellen Bodenbearbeitungsgeräte Pflug, Egge und Walze verbessert, es erfolgte der Übergang von Holz- zu Eisengeräten.
Landwirtschaftliche Vereine ermöglichten die Verbreitung der neugewonnenen Erkenntnisse. Sie förderten auch die Einführung moderner Landmaschinen, die im industriell fortschrittlicheren England bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt worden waren und seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch in der deutschen Landwirtschaft Verbreitung fanden.
Eine Zusammenfassung der auf regionaler Ebene bestehenden Landwirtschaftsvereine bewirkte die 1885 unter Führung von Max Eyth gegründete Deutsche-Landwirtschafts-Gesellschaft. Die machte sich unter anderem das "Sammeln und Verbreiten erprobter praktischer Erfahrungen auf sämtlichen Gebieten der Landwirtschaft" und die "Mitteilung der neuesten wissenschaftlichen Forschungsresultate mit besonderer Beziehung auf ihre Anwendung, in kurzer gemeinverständlicher Form" zur Aufgabe. Mittel zum Zweck waren "Versuche und Proben, eventuell Prämiierung von landwirtschaftlichen Maschinen, Geräten und Hilfsmitteln", sowie von Tieren und Produkten, die auf jährlichen Wanderausstellungen einem breiteren Publikum bekannt gemacht wurden. In den Jahren nach der Gründung wurden u. a. folgende Geräte vom Maschinenausschuß der DLG geprüft: Düngerstreuer, Hackmaschinen, Bindemäher, Getreidereinigungsmaschinen, Drillmaschinen, Kartoffelerntemaschinen und Grasmäher.
Die größte Bedeutung unter diesen Geräten kam den Drillmaschinen, den Dreschmaschinen und den Mähmaschinen zu. Mit der Drill- oder Sämaschinen konnte ein erheblich besseres Arbeitsergebnis erzielt werden als durch das Säen mit der Hand, weil das Saatgut gleichmäßiger verteilt wurde. Dadurch ging die Saat besser auf und es konnten zwischen den Saatreihen Unkrautbekämpfungsmaßnahmen durchgeführt werden.
Mähmaschinen entlasteten den Betrieb während der Arbeitsspitzen zur Erntezeit. Die Verbreitung dieser Maschinen war allerdings noch äußerst gering. Aus einer Zählung von 1882 ergab sich, daß Drillmaschinen und Mähmaschinen fast nur in Betrieben mit mehr als 80 bzw. 100 ha zu finden waren.
Allgemeiner genutzt wurden die Fortschritte bei den Maschinen zur Verarbeitung der Ernteprodukte. Da die Landwirtschaft um 1850 noch überwiegend Getreidewirtschaft war, konnte mit verbesserten Methoden auf diesem Gebiet eine besondere Arbeitsersparnis und -erleichterung erzielt werden.
Spitzdrescher, Windfege und Häckselmaschine
Das Mähen, Ausdreschen und Reinigen des Getreides, das der moderne Mähdrescher in einem Arbeitsgang erledigt, war früher ein aufwendiger Arbeitsprozeß. Nach der Ernte wurde das Getreide mit Flegeln ausgedroschen, die Reinigung erfolgte mit Hilfe von Wurfschaufeln und Wannen. Für die Getreidereinigung stand seit Mitte des 18. Jahrhunderts die Windfege zur Verfügung, mit der sich die Trennung von Spreu und Korn schneller effektiver erreichen ließ.
Windfege
Große Bedeutung hatte die Ende des 18. Jahrhunderts in England konstruierte Dreschmaschine, die zu den frühsten Maschinen in der Landwirtschaft gehörte. Sie löste den anstrengenden Flegeldrusch ab, der Bauern, Knechte und Heuerleute den ganzen Winter über beschäftigt hatte. Mit der Dreschmaschine konnte das Getreide nicht nur schneller und einfacher, sondern auch sauberer ausgedroschen werden als mit dem Flegel. Die Anschaffung einer Dreschmaschine lohnte sich daher für Betriebe, die größere Mengen Getreide anbauten. Die ersten Dreschmaschinen waren sogenannte Spitzdrescher.
Spitzdrescher
Sie hatten im Gegensatz zu den späteren Breitdreschern eine schmale Trommel, das Getreide wurde längs eingelegt. Der Kraftaufwand für einen Spitzdrescher war nicht so hoch wie für einen Breitdrescher, er konnte, wenn nötig, von Hand angetrieben werden. Für den Fall war seitlich eine Handkurbel angebracht, die von ein bis zwei Männern gedreht werden mußte.
Das Gleiche galt für die Häckselmaschine, die zum Kleinschneiden von Stroh und Grünfutter diente; auch sie konnte mit einer Handkurbel versehen von zwei Personen bedient werden. Dabei handelte es sich jedoch um eine sehr schwere Arbeit.
Häckselmaschine
Für diese Maschinen wurde daher gern ein einfacher mechanischer Antrieb genutzt:
Der Göpel
Mit dem Göpel, einer eisernen Konstruktion aus Rahmen, ineinandergreifenden Zahnrädern und Antriebswelle, konnte die tierische Zugkraft auf das Antriebsrad stationärer Maschinen übertragen werden. Große hölzerne Göpel wurden bereits im Mittelalter verwendet, z. B. zum Antrieb von Mühlen und im Bergbau.
Göpel
Weite Verbreitung in der Landwirtschaft erlangte aber erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts der preiswertere, kleinere, eiserne Göpel. Dieser typische Göpel ist vor dem Eingang zur ersten Ausstellungshalle aufgebaut. Außerhalb der Scheune war auch der übliche Standort eines solchen Göpels. Die angetriebenen Maschinen waren in der Scheune aufgestellt, die Göpelstange wurde unterirdisch durch die Scheunenwand geführt. Je nachdem, wieviel Kraftaufwand die angetriebene Maschine erforderte, konnten ein bis vier Zugtiere vor die Zugbäume gespannt werden. Da Zugtiere ohnehin gehalten werden mußten., verursachte der Betrieb eines Göpels keine besonderen Kosten. Er war daher gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf zahlreichen Höfen anzutreffen. Im allgemeinen wurden Spitzdrescher und Häckselmaschinen mit dem Göpel verbunden, die mit ein oder zwei Zugtieren betrieben werden konnten. Breitdrescher benötigten drei bis vier Zugtiere, die Kraft reichte aber nicht, um die für den Breitdrescher entwickelten Zusatzmaschinen, Strohschüttler und Strohbinder, mitanzutreiben. Mit dem Aufkommen der leistungsfähigen Breitdrescher wurde das Ausdreschen des Getreides zum größten Teil Lohndreschern übergeben, für den Göpeldrusch bleiben Restmengen. Zum Häckseln wurde er noch weiter genutzt, bis er durch den praktischeren Elektromotor abgelöst wurde.
Die Elektrifizierung der westfälischen Landwirtschaft wurde im allgemeinen in den 20er Jahren durchgeführt, so auch in Westerkappeln. Die meisten Göpel wurden in dieser Zeit abgeschafft. Der Göpel des Museums stand auf einem etwas entlegenen Westerkappelner Hof, der erst spät Anschluß an eine Starkstromleitung bekam und wurde noch bis 1953 benutzt.
Dampfkraft in der Landwirtschaft
In dem Zeitraum, in dem sich der Göpel in Deutschland durchsetzte, stand der Industrie bereits eine viel leistungsfähigere Antriebsmaschine zur Verfügung: die Dampfmaschine.
Die im 18. Jahrhundert in England erfundene, von James Watt 1782 entscheidend weiterentwickelte Dampfmaschine, leitete den Industrialisierungsprozeß in England ein, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts Deutschland erreichte. Die Versuche, die für industrielle Aufgaben entwickelte Maschine auch für die Landwirtschaft nutzbar zu machen, führten zur Konstruktion des Dampfpflugs. Zuvor hatte sich gezeigt, daß die ‚Dampfmaschine wegen ihres konstruktiv bedingten hohen Gewichts nicht unmittelbar zur Feldbearbeitung verwendet werden konnte.
Ein kompletter Dampfpflug bestand aus zwei mit Seilwinden ausgestatteten Lokomobilen, die zwischen sich einen mehrscharigen Pflug hin und her zogen. Der Dampfpflug war aufgrund seiner Leistungsstärke besonders zur Urbarmachung von Ödland geeignet.
In Norddeutschland wurde er unter anderem zur Moorkultivierung verwendet, außerdem auf den schweren Böden der Rübenbaugebiete Mittel- und Norddeutschlands. Für den durchschnittlichen bäuerlichen Betrieb kam der Dampfpflug nicht in Frage. Ein Dampfpflug kostete zwischen 31.000 und 36.000 Mark, hinzu kam ein Verbrauch von 30-35 Zentnern Steinkohle und einigen 1.000 Litern Wasser pro Tag. Die Angaben für seinen rentablen Einsatz schwanken zwischen 190 und 400 ha Land, die regelmäßig gepflügt werden mußten. Laut Statistik waren im Jahre 1882 in Deutschland 200 Aggregate im Einsatz, im Jahre 1907 waren es bereits 440. Es wird geschätzt, daß in ganz Deutschland nicht mehr als 1% Ackerfläche von Dampfpflügen bearbeitet wurde.
Die Lokomobile
Eine wesentlich größere Verbreitung erreichte der Dampfdreschzug, bestehend aus Lokomobile als Zug- und Antriebsmaschine und dem Breitdrescher als Arbeitsmaschine, später meist mit angebauter Strohpresse. Als Lokomobile wird eine ortsbewegliche Dampfmaschine bezeichnet (loco = Ort, mobilis = beweglich).
Im Dampfkessel wird durch Verbrennen von Holz oder Kohle Wasser erhitzt und Dampf erzeugt. Durch den Dampfdruck wird der Kolben der Dampfmaschine bewegt, der das Schwungrad antreibt. Über einen Transmissionsriemen wird die Kraft auf das Schwungrad der angetriebenen Maschine weitergeleitet.
In England entwickelt Richard Trevithick schon 1811 eine selbstfahrende Dampfmaschine, die sich aber zunächst aus ökonomischen Gründen nicht durchsetzte. Erst nach 1840 fand die Lokomobile als stationärer Antrieb in England größere Verbreitung, zwischen 1860 und 1920 auch in Deutschland. Nach 1800 wurden von den deutschen Firmen Wolf, Magdeburg, und Heinrich Lanz, Mannheim, Lokomobilen gebaut, die so gut verarbeitet waren, daß sie einen wesentlich höheren Druck aushalten und daher stärker erhitzt werden konnten als die bis dahin gebauten Kessel. Diese Heißdampfmaschinen erzielten bei geringerem Verbrauch eine höhere Leistung als die Sattdampfmaschinen.
Trotzdem blieben die Betriebskosten sehr hoch. Eine Lokomobile verbrauchte durchschnittlich etwa 1,7 kg Kohle und 10 l Wasser, um eine Stunde lang 1 PS Leistung zu erzeugen. An einem Dreschtag betrug der Wasserverbrauch etwa 1.000 Liter.
Die restaurierte Lokomobile
im Museum
Die Kosten einer Lokomobile lagen je nach Typ bei 3.000 bis 10.000 Mark. Hinz kamen die Kosten für die Breitdreschmaschine, die, um die Leistung der Lokomobile auszunutzen, mit Hilfsgeräten wie Selbsteinleger, Reinigungsvorrichtungen und Strohbinder, später auch mit Strohgebläse und Strohpresse, ausgestattet sein mußte. Neben den Anschaffungskosten waren auch die Unterhaltungskosten zu bedenken: die Lokomobile erforderte erfahrene Maschinisten zur Bedienung, wenn Unfälle und Kesselexplosionen vermieden werden sollten. Damit war die Anschaffung einer Dampfdreschgarnitur für den durchschnittlichen bäuerlichen Betrieb zu kostenintensiv. Da aber das Dreschen nicht so zeitgebunden war wie zum Beispiel die Getreideernte, für die oft nur wenige Tage günstig waren, eignete sich diese Arbeit zur genossenschaftlichen Organisation oder zu der im hiesigen Raum verbreiteten Tätigkeit von Lohnunternehmern.
Die Lokomobile war bei der Übernahme ins Museum nicht mehr vollständig. Der Dampfkessel wurde zuletzt in einem Molkereibetrieb als Ersatzkessel gebraucht. Da diese Lokomobile mit zu den ältesten erhaltenen der Firma Lanz gehört, entschloß sich der Museumsträger, die Maschine von Grund auf restaurieren zu lassen. Die Restaurierung wurde von der Zentralen Restaurierungswerkstatt des Westfälischen Museumsamtes in Gelsenkirchen durchgeführt. Die umfangreichen Recherchen der Restaurierungswerkstatt ergaben folgende technische Daten:
Entstehungszeit: | 1881 |
Leistung: | 10 PS, Maximalleistung 27 PS |
Nenndruck: | 15 Atü |
Die Maschinenteile wurden nur soweit ergänzt, daß die Funktion der Maschine ablesbar wurde. Die fehlenden Teile wurden nach einem Ersatzteilkatalog der Firma Lanz sowie nach Katalogabbildungen ergänzt.
Lohndreschen
Lohndrescher zogen den ganzen Herbst über bis in den Winter von Hof zu Hof, um das Getreide auszudreschen. Mit den leistungsfähigen Breitdreschmaschinen konnte das Getreide in kürzester Zeit vollständig ausgedroschen und gereinigt werden, was den Verkauf des Korns zu einem günstigen frühen Zeitpunkt erlaubte. Neben der Zeitersparnis und dem günstigen Arbeitsergebnis war vor allem der Arbeitermangel verantwortlich für die rasche Ausbreitung des Lohndreschens.
Das Lohndreschen war eine Saisonarbeit, die vor allem von Kleinlandwirten als Nebentätigkeit im Herbst und Winter angenommen wurde. Die Berichte eines Lohndreschers zeigen, daß die grundsätzliche Arbeitsersparnis und - erleichterung durch das neue maschinelle Verfahren sich nicht notwendigerweise positiv auf die verbliebenen Arbeitskräfte auswirken mußte:
"Spätestens um 4 Uhr morgens wird angefangen, nicht selten aber auch schon um 3 Uhr, und dann geht es den ganzen lieben langen Tag rastlos fort, mindestens bis 8 Uhr abends; sehr häufig wird es 9 und 10 Uhr, öfters sogar 11 und 12 Uhr nachts. Pausen gibt es nur, solange die Essenszeit dauert, einschließlich der Schmierpausen insgesamt höchstens eine Stunde des Tages. Das Abendessen verursacht keine Pausen, denn dies wird erst nach beendeter Tagesarbeit eingenommen, ganz gleichgültig, wie spät es auch werden."
Die Arbeit an der Dreschmaschine war körperlich anstrengend, nicht zuletzt, weil der Dreschvorgang eine sehr unangenehme Staubentwicklung verursachte.
Verglichen mit dem modernen Mähdrusch, bei dem Mähen, Dreschen und Reinigen des Getreides in einem Arbeitsgang im Einmannbetrieb erledigt werden, war das Dreschen mit der Dreschmaschine immer noch sehr arbeitsintensiv. In dem bereits zitierten Bericht eines Landarbeiters, der zeitweilig in Norddithmarschen in einer Dreschmannschaft arbeitete, werden aufgezählt:
Für die Lokomobile: | Ein Heizer und ein Wasserträger. |
Für die Maschine: | Zwei Einleger, zwei Bandschneider, ein Kaffträger, ein Losbinder, fünf Strohbinder und zwei bis drei Kornträger, außerdem Garbenzuschmeißer, Strohträger und Hümpelmannschaften (hümpeln = aufstellen). |
Je nachdem, mit welchen Hilfsgeräten eine Dreschmaschine ausgestattet war, verringerte sich die Zahl der notwendigen Arbeitskräfte. Ein Großfoto zeigt, wie man sich den Dreschvorgang mit Lokomobile und Breitdreschmaschine vorstellen muß. Nach Berichten des Bauern, auf dessen Hof in Norddeutschland das Foto aufgenommen wurde, waren bei dem gezeigten Dreschvorgang noch vierzehn Arbeitskräfte beschäftigt.
Dreschalltag auf dem Bauernhof
Die Lokomobile ist ein frühes Beispiel für die Leistungssteigerung, die mit maschineller Antriebskraft bei landwirtschaftlichen Arbeitsvorgängen erzielt werden konnte. Vielseitig nutzbar war sie jedoch nicht. Ihr Einsatz blieb auf das Dreschen beschränkt, da die übrigen Arbeiten, für die ein stationärer Antrieb genutzt werden konnte, wie Häcksel schneiden oder Schrot mahlen, nicht genossenschaftlich organisiert werden konnten. Diese Arbeiten fielen das ganze Jahr über in geringerem Umfang an und benötigten einen Antrieb, der ständig zur Verfügung stand. Hier blieb die Landwirtschaft auf hergebrachte Antriebsmethoden angewiesen. Das galt auch für sämtliche Ackerarbeiten, denn die Lokomobile kam als Zugkraft nicht in Frage. Die Flächenleistung beim Pflügen, Eggen und Walzen blieb begrenzt durch die Kraft und Ausdauer, die von den angespannten Pferden, Ochsen oder Kühen aufgebracht werden konnte.
Insgesamt blieb der Mechanisierungsgrad der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert aufgrund der ungünstigen Betriebsgrößenstruktur relativ gering. Großbetriebe machten zahlenmäßig den geringsten Teil der landwirtschaftlichen Betriebe aus. Die folgenden Angaben aus dem Jahre 1882 geben einen Überblick über die Verteilung der Betriebsgrößen auf große, kleine und mittlere Betriebe und über die Verbreitung der Maschinennutzung:
Anzahl
Betriebe
|
Anzahl
der Maschinen-benutzenden Betriebe
|
Anteil
|
|
Unter 2 ha |
3.061.831
|
15.296
|
0,5%
|
2 - 5 ha |
981.407
|
37.510
|
3,8%
|
5 - 20 ha |
926.605
|
182.205
|
19,7%
|
20 - 100 ha |
281.510
|
136.177
|
48,5%
|
über 100 ha |
24.991
|
20.558
|
82,2%
|
Kleinbetriebe unter 2 ha, bei den Maschinennutzung nicht üblich oder nicht möglich war, machten prozentual den größten Anteil in der deutschen Landwirtschaft aus. Für Westfalen sind die Zahlen noch eindeutiger: 1849 lagen nur 0,3% aller landwirtschaftlichen Betriebe über einer Größe von 150 ha, hingegen 44,4% unter 1,5 ha; weiter 32,7% hatten eine Größe zwischen 1,5 und 7,5 ha.
1849 lagen somit noch rund 77% der westfälischen landwirtschaftlichen Betriebe unter der Größe von 8 ha, die nach einer späteren Schätzung für den ökonomischen Einsatz der meisten Landmaschinen notwendig war. Die Betriebsgrößen veränderten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Westfalen nicht wesentlich, wohl aber die Betriebsstruktur. Zwar dominierte weiterhin der Getreideanbau, er wurde aber ergänzt durch verstärkten Kartoffel- und Futterpflanzenanbau und eine erheblich intensivierte Viehwirtschaft. Rinder wurden nicht länger nur als Spannvieh und Düngerproduzent gehalten, sondern als Lieferant von Fleisch und Milch. Die Schweinehaltung wurde um ein Vielfaches gesteigert.
Diese Entwicklung hing mit der zunehmenden Industrialisierung und der infolgedessen zunehmenden Verstädterung Deutschlands zusammen. Die städtische Bevölkerung verfügte über wachsende Kaufkraft, was sich in der Veränderung ihrer Eßgewohnheiten niederschlug: Es wurden verstärkt hochwertige Lebensmittel nachgefragt. Die Konzentration auf die Veredelungswirtschaft ermöglichte auch kleinen Landbesitzern ein Auskommen; deshalb konnten sich kleine und mittlere Betriebe in der westfälischen Landwirtschaft weiterhin halten. Sie waren im allgemeinen gemischte Betriebe, d. h., sie betrieben neben der Viehzucht noch Getreide- und Futtermittelanbau. Für die Bewirtschaftung bedeutete dies, daß zahlreiche verschiedene Arbeitsabläufe mit unterschiedlichen Geräten auf relativ kleinen Flächen zu bewältigen waren, schlechte Voraussetzung also für den Einsatz von Landmaschinen.
Trotzdem übte die Abwanderung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte, die in der Industrie bessere Beschäftigungsbedingungen fanden, auf die Landwirtschaft einen starken Druck aus, ihre Betreibe zu mechanisieren. Besonders betroffen vom Landarbeitermangel waren Großbetriebe. Hier traten während der Frühjahrsbestellung und in der Erntezeit sogenannte "Arbeitsspitzen" auf, d. h., es mußte ein großer Arbeitsanfall in verhältnismäßig kurzer Zeit bewältigt werden. Während der Frühjahrsbestellung mußte der Boden gepflügt und für die Saat vorbereitet werden. Neben den Arbeitskräften mußten in dieser Zeit vor allem genügend Gespanne zur Verfügung stehen, die während des übrigen Jahres nicht ausreichend beschäftigt waren, gleichwohl aber "Betriebsstoffe" beanspruchten. Entsprechend mußte ein Teil der Ackerfläche für den Anbau von Futtermitteln reserviert werden.
Ein zweiter Engpaß bei den Zugkräften ergab sich, wenn die schweren Erntewagen vom Feld gefahren werden mußten. Maschinen, die beständig hohe Leistung erbringen konnten, ohne wie die Tiere, zu ermüden, waren daher besonders für Gutsbetriebe interessant, hier wurden auch die ersten Versuche mit motorisierter Antriebskraft gemacht.