Die Motorisierung der Landwirtschaft

Seit der Erfindung des Verbrennungsmotors durch N. A. Otto im Jahre 1884 wurde versucht, dieses Prinzip auch für Landmaschinen zu nutzen. Vor allem, seit es gelang, den Motor mit flüssigen Brennstoffen zu betreiben., wurde der Verbrennungsmotor für die Landwirtschaft interessant. Verglichen mit der schweren Lokomobile, die ein Gewicht von 250 kg/PS hatte, konnte der Verbrennungsmotor viel leichter gebaut werden, die Mitnahme des Brennstoffs war unproblematisch. Durch die standortunabhängige Energieversorgung wurde die Maschinisierung der Feldarbeit möglich. Bis zum modernen Universalschlepper war es allerdings noch ein weiter Weg.

Stationärmotoren

Anfangs wurde auch der Verbrennungsmotor überwiegend als Stationärmotor verwendet. Auf größeren Höfen wurden Stationärmotoren eingesetzt, um den Göpel als Antrieb für Dresch-, Häcksel- und Holzschneidemaschinen zu ersetzen. Auf einem annähernd 50 ha großen Hof in Westerkappeln wurde 1911 ein stationärer Benzinmotor angeschafft, der über eine auf der Diele verlaufende Welle draußen eine Kreissäge antrieb. Außerdem wurden eine Schrotmühle, ein Breitdrescher und eine Häckselmaschine betrieben. Vor 1911 war ein Göpel als Antrieb benutzt worden, in den 20er Jahren wurde zusätzlich zu dem Benzinmotor ein Elektromotor angeschafft.

Ganz typisch war diese Reihenfolge der Antriebskräfte allerdings nicht: im allgemeinen fanden die stationären Benzinmotoren in der Landwirtschaft keine große Verbreitung. Im Vergleich zum Göpel war ein Motor zu teuer und die Handhabung kompliziert. Für den Betrieb galten außerdem strenge Sicherheitsvorschriften bezüglich der Aufbewahrung des Brennstoffs. In großen Teilen der Landwirtschaft setzten sich Stationärmotoren erst nach 1900 mit dem Aufkommen der Elektromotoren durch. Im Vergleich zu Verbrennungsmotoren waren Elektromotoren einfacher zu bedienen und beanspruchten weniger Wartung. Sofern ein Stromanschluß vorhanden war, löste der Elektromotor den Göpel ab. Zwei Deutz-Stationärmotoren und ein Elektromotor sind auf der Galerie zu besichtigen.

Der Elektromotor ist in einen hölzernen Wagen eingebaut, der den mühelosen Transport zu den verschiedenen Arbeitsgeräten möglich machte. Die Verbindung zwischen dem Elektromotor und der Transmission ist daher nicht typisch. Mit einer Transmission wurden normalerweise leistungsstärkere Verbrennungsmotoren versehen, die einen festen Standort hatten und mehrere Maschinen gleichzeitig betreiben konnten.

Die ersten motorisierten Feldbearbeitungsgeräte

Im Bereich der motorisierten Feldbearbeitungsmaschinen wurden verschiedene Entwicklungslinien verfolgt, bevor sich der Radschlepper allgemein durchsetzte.

Die Firma Lanz stellte 1909 den Landbaumotor Lanz vor, eine von einem mehrzylindrigen Vergasermotor betriebene Fräsmaschine. Mit einer Benzinmotorfräse trug auch die Firma Siemens, Berlin, 1923 zur Vielfalt im deutschen Landmaschinenbau bei. Ein Kuriosum in der Geschichte des Schlepperbaus war das 1924 von der Firma Borsig konstruierte "Motorpferd", das wie ein Pferd mit Zügeln gelenkt wurde. Damit sollte den Landarbeitern der Umstieg von der Gespann- zur Schlepperführung erleichtert werden.

Eine deutsche Sonderentwicklung war der Motorpflug, der u. a. von den Firmen Stock, Hanomag, Pöhl, Benz-Sendling und MAN gebaut wurde. Die Motorpflüge wurden zwar zum Teil schon in Serie hergestellt und erlangten eine größere Verbreitung als der Dampfpflug, im Prinzip galt aber auch für sie, daß sie nur auf größeren Flächen rentabel waren. Hinzu kam, daß sie für Betriebsstörungen noch sehr anfällig waren und nicht zuverlässig arbeiteten. In einem Bericht über die Arbeit des Geräteausschusses der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft wird geurteilt: "Im Krieg und in den ersten Jahren nach ihm mußten sich der Geräteausschuß und die Gerätestelle mit vielerlei Maschinen und Anlagen beschäftigen, die irgendeinem Mangel abhelfen sollten, den die Landwirtschaft empfand. Kraftmaschinen jeder Art und vieles andere, besonders eine lange Reihe eigenartiger Motorpflüge und Zugmaschinen, wurden besichtigt oder geprüft, zum Teil mit großem Zeitaufwand. Die Arbeit wurde getan, weil man nach allem griff, was Hilfe versprach, aber für die spätere Zeit blieb wenig Wertvolles übrig".

Eine Erhebung des Preußischen Landwirtschaftsministeriums kam sogar zu dem Schluß, "daß der Motorpflug der Landwirtschaft keinen Nutzen bringe, sondern unwirtschaftlich sei".

Neben den hohen Anschaffungskosten lag einer der Hauptgründe für die Unwirtschaftlichkeit der ersten Kraftmaschinen in ihrem hohen Benzinverbrauch.

Benzin war in Deutschland teuer, was die Akzeptanz von Landmaschinen mit Benzinmotor bei der deutschen Landwirtschaft verringerte. Die Landwirtschaft benötigte Maschinen, die sich mit billigen Betriebsstoffen betreiben ließen und betriebssicher waren. In dieser Hinsicht erwies sich der bis heute populärste deutsche Schlepper als unschlagbar:

Der LANZ-Bulldog

Der 1921 als erster Rohölschlepper mit Glühkopfmotor auf den Markt gebrachte 12 PS-Bulldog wurde zunächst nur als Ersatz für die schwerfällige Lokomobile verkauft und war im Prinzip nur ein fahrbarer Stationärmotor. In einer zeitgenössischen Werbung wurde der Bulldog angeboten als:

Der 12 PS-Bulldog verfügte noch nicht über ein Schaltgetriebe. Er hatte nur einen Vorwärtsgang, zum Rückwärtsfahren mußte die Drehrichtung des Motors umgesteuert werden. Die Vollgummibereifung war nur für Straßenfahrten geeignet, nicht für den Einsatz auf dem Acker. Wegen seiner Vorzüge wurde aber bald der Wunsch nach einem ackertauglichen Bulldog-Modell laut. Zu diesen Vorzügen zählte vor allem die Betriebssicherheit. Das Anlassen des Glühkopfmotors erforderte zwar einige Vorbereitungen, erfolgte aber auch im kältesten Winter ohne Schwierigkeiten. Die Bedienung des Bulldogs galt auch für technickunerfahrene Personen als unkompliziert. Die einfache Bedienung hatte einen hohen Stellenwert für den Konstrukteur des Bulldog, Fritz Huber, von dem der Satz überliefert ist: "Der Motor für den landwirtschaftlichen Schlepper kann gar nicht einzylindrig genug sein." Zwar war zu Beginn der 20er Jahre die erste Schule der Deula (Deutsche Lehranstalten für Agrartechnik) gegründet worden, die in ihren Kursen theoretische und praktische Kenntnisse über die Bedienung von Landmaschinen vermittelte. Dieses Angebot konnten jedoch damals nur vergleichsweise wenige Bauern wahrnehmen.

Außerdem war der Bulldog robust und unverwüstlich, was auch sein Name zum Ausdruck brachte, und er konnte mit billigsten Teerölen, Paraffin, Pflanzenöl usw. betrieben werden. Eine Rolle bei der großen Verbreitung des Bulldogs spielte aber sicher auch die Tatsache, daß die Firma Lanz der größte Landmaschinenhersteller war und daher über gute Vertriebsmöglichkeiten verfügte.

Acker- und Straßenschlepper

In den Anfangsjahren der Schlepperherstellung, d. h. in den 20er und 30er Jahren, wurden Schlepper meist in zwei Ausstattungsvarianten verkauft: als Ackerschlepper oder als Straßenschlepper.

Traktoren, die zur Feldarbeit verwendet werden sollten, mußten mit Greiferrädern ausgestattet werden, damit sie genügend Zugkraft entwickelten und die Räder auf dem Acker nicht durchrutschten.

Straßenschlepper wurden mit Gummireifen und höheren Geschwindigkeiten angeboten. Ein flexibler Einsatz der Schlepper war nicht möglich, da die Reifen bei jedem Wechsel vom Acker auf die Straße umgerüstet werden mußten.

Aus dem Grund wurden Schlepper oft nur für bestimmte Zwecke angeschafft, entweder für Feldarbeiten oder für Transporte. Verschiedene Straßenschlepper werden in Halle II gezeigt, repräsentativ sind vor allem die beiden Deutz-Schlepper, die mit einem Verdeck versehen sind, was für Ackerschlepper noch unüblich war.

Ein typisches Beispiel für einen Ackerschlepper ist der HN3 Allzweckbulldog mit angehängtem Beetpflug. Der 1939 gebaute Traktor war zwar bereits mit Luftreifen lieferbar, auf schwierigen Böden und bei schweren Ackerarbeiten, die große Zugkraft erforderten, wurde er aber immer noch gern mit Greiferrädern ausgerüstet. In der gezeigten Ausstattung wurde der HN3 zum Wiesenumbruch eingesetzt. Der HN3-Bulldog war mit 25 PS ziemlich leistungsstark, eine Gemeinsamkeit fast aller Ackerschlepper.

Die Bereifung mit "Greifern" bedingte einen relativ hohen Kraftbedarf zur Eigenfortbewegung des Schleppers und machte den Einbau starker Motoren notwendig. Diese verteuerten den Schlepper und trugen dazu bei, daß Ackerschlepper in Deutschland nur für größere Betriebe in Frage kamen. Eine Entwicklung wie in den USA, wo durchschnittlich größere Flächen bewirtschaftet wurden und ein breiterer Absatzmarkt beliefert werden konnte, war in Deutschland zunächst nicht möglich, auch wenn die Vorteile kleinerer, vielseitiger Schlepper durchaus erkannt wurden. 1923 wurde vom Reichsausschuß für Technik in der Landwirtschaft ein Wettpflügen zwischen einem amerikanischen Schlepper und einem deutschen Motorragpflug veranstaltet. Der Schlepper war der von der amerikanischen Automobilfirma Ford seit 1917 serienmäßig hergestellte Fordson, der im Verhältnis von Gewicht, Leistung und Preis als erster Bauernschlepper angesehen werden kann. Der Vergleich mit einer Pöhl-Ackerbaumaschine fiel deutlich zugunsten des Fordson aus. Zwar leisteten beide Maschinen ungefähr das Gleiche, die Pöhl-Maschine kostete aber fast das Vierfache des Fordsons.

Kleinschlepper

Für die Bedürfnisse kleinerer Betriebe nach Arbeitserleichterung waren motorisierte Arbeitsgeräte konstruiert worden, die im Laufe der Zeit zu Kleinschleppern weiterentwickelt wurden. Typisch für die Anfänge dieser Entwicklung ist der Motormäher der Firma Kramer von 1925, ursprünglich ein gespanngezogener Grasmäher, auf den ein Vier-Zylinder-Benzinmotor aufgesetzt worden war. Das Grasmähen war in Gegenden mit überwiegendem Grünlandanteil eine der Arbeitsspitzen, die regelmäßig anfiel und bei der eine Zeitersparnis sehr erwünscht war. Besonders im süddeutschen Raum wurden daher von verschiedenen Landmaschinenherstellern Motormäher konstruiert. Neben anderen begannen die Firmen Kramer, Fendt, Fahr und Hagedorn ihr Schlepperbauprogramm mit der Herstellung von Motormähern.

Der Hagedorn-Westfalia und der Kramer-"Allesschaffer" sind Weiterentwicklungen solcher Motormäher. Sie waren mit Riemenscheibe ausgestattet und leistungsstark genug zur Verrichtung leichter Zugarbeiten. Hauptarbeit dieser Schlepper war aber weiterhin das Grasmähen mit dem angebauten Mähwerk. Mit dem Anbau des Mähwerks wurde der Schlepper zur selbständigen Arbeitsmaschine. Er entwickelte sich über seine bisherige Funktion als Zugtierersatz und stationäre Antriebsmaschine hinaus zum Universalschlepper.

Ein wichtiger Fortschritt im Schlepperbau: Die Entwicklung des Luftreifens!

Eine wesentliche Voraussetzung für den Bau eines Universalschleppers, der die Vorzüge von Acker- Straßen- und Kleinschleppern vereinigte, war die Entwicklung des Luftreifens. Der Ackerluftreifen mit großer Auflagefläche und niedrigem Luftdruck paßte sich den unterschiedlichen Anforderungen bei Straßenfahrten und Feldarbeit weitgehend an. Er ermöglichte eine bessere Kraftübertragung und verursachte geringeren Bodendruck als das Eisenrad mit Greifern.

Der luftbereifte Schlepper war ohne Umrüstung für Acker- und Transportarbeiten verwendbar. Er konnte für die meisten bisher von Pferden geleisteten Arbeiten eingesetzt werden; eine Vielseitigkeit, die seine Wirtschaftlichkeit entscheidend verbesserte. Die Vorteile der Luftbereifung machten es möglich, daß die bisher ziemlich groß dimensionierten Schlepper kleiner gebaut und auf die Bedürfnisse der Klein- und Mittelbetriebe besser zugeschnitten werden konnten.

Der Bauernschlepper

Die Aufschwungs- und Mechanisierungsphase der 20er Jahre, die Entwicklung und Absatz der ersten Ackerschlepper förderte, wurde nach wenigen Jahren durch die Weltwirtschaftskrise von 1929 beendet. Es kam einerseits zur Rückwanderung von Arbeitskräften in die Landwirtschaft, andererseits wurden weiter Maschinenkäufe durch Kapitalmangel oder Verschuldung der Bauern erschwert.

Die Wirtschaftskrise senkte besonders die Nachfrage nach veredelten landwirtschaftlichen Produkten, gleichzeitig führte die nicht zuletzt durch die Mechanisierung gesteigerte Produktion zu einem anhaltenden Preisverfall.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten sollte das landwirtschaftliche Einkommen zunächst durch Maßnahmen zur Drosselung der Produktion erhöht werden. Der 1933 unter der Führung des Reichsbauernführers Darrè gegründete Reichsnährstand - eine Zwangsorganisation, in der sämtliche Landwirte sowie Verarbeiter und Händler landwirtschaftlicher Produkte zusammengefaßt waren - verfügte über zahlreiche Vollmachten zur Steuerung von Erzeugung, Absatz und Preisgestaltung der landwirtschaftlichen Produktion. Neben der Befreiung der Bauern von der Marktabhängigkeit durch feste Preise galten die Maßnahmen der nationalsozialistischen Marktordnung zunächst dem Abbau der bäuerlichen Schuldenlast und der Agrarüberschüsse. 1934 erfolgte im Zuge der nationalsozialistischen Kriegsvorbereitungen die Wende zur Autarkiepolitik und damit zur Erhöhung der Produktion. Die Kriegsvorbereitungen bewirkten den Aufschwung der Industrie und die erneut wachsende Kaufkraft der Verbraucher. Die Abwanderung landwirtschaftlicher Arbeiter erzwang einen weiteren Mechanisierungsschub, der auch staatlicherseits gefördert wurde, z. B. durch Betriebskredite für den Kauf von Maschinen.

Um die Steigerung der Erzeugung trotz Verringerung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte durchsetzen zu können, wurde die verstärkte Motorisierung auch der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe für notwendig erachtet. Dieses Ziel sollte mit der Entwicklung eines Bauernschleppers erreicht werden.


Ein Deutz-Bulldog im Einsatz zusammen mit einem Mähbinder.

Damals wurde der Ackerschlepper noch vorwiegend als Zugmaschine in Gutsbetrieben eingesetzt. Mit ihm konnten mehrere Pferde und die entsprechende Anbaufläche für Futtermittel eingespart werden. In kleineren Betrieben, die ohnehin nur mit wenigen Pferden oder Kühen arbeiteten, reichten die anfallenden Zugarbeiten nicht aus, um einen Schlepper wirtschaftlich einzusetzen. Damit sich dort ein Schlepper lohnte, mußte er in möglichst vielen Arbeitsbereichen einsetzbar und preiswert sein.

Der Preis eines Schleppers hing in erster Linie von der Dimension und Leistungsstärke des Motors ab. Als Bauernschlepper kam also nur ein kleiner Schlepper mit geringeren PS-Zahlen in Frage, der trotzdem leistungsstark genug war, um die im klein- und mittelbäuerlichen Betrieb anfallenden Acker- und Zugarbeiten zu verrichten.

Die seit Mitte der 30er Jahre aus politischen und wirtschaftlichen Gründen erhobene Forderung nach einem Bauernschlepper wurde von allen großen Herstellern aufgegriffen.

 

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